Vater Courage
Zehn Jahre hat ein Anwohner gekämpft, um eine Deponie zu verhindern
Ein Schwyzer lehnt sich gegen Behörden und eine Baufirma auf, um ein Stück Natur zu retten. Nun gibt ihm das Verwaltungsgericht recht.
Es ist ein idyllischer Flecken. Ein kleiner See, mit Steinblöcken durchsetzte Wiesen und Wald. Die Anhöhe zwischen Rigi und Rossberg bietet einen Blick auf den Lauerzersee. Die Landschaft erzählt die Geschichte vom Goldauer Felssturz von 1806, als von der anderen Talseite Gestein bis hier hinauf geschoben wurde, auf die sogenannte Bernerhöhe. Die Betreiber eines Campingplatzes machen sich die Aussicht zunutze, und ein Wanderweg führt durch die Wiesen talwärts. Bauern bewirtschaften das Land.
Auf der Bernerhöhe wohnt Erwin Hammer. Im März 2006 kaufte er ein Haus mit viel Umschwung. Kurz nach dem Einzug musste der gelernte Schlosser gewärtigen, dass neben seinem Grundstück eine Deponie für Aushubmaterial entstehen sollte, auf einer Fläche von zwölf Fussballfeldern. Die Aufschüttungen wurden ungeachtet der charakteristischen Landschaft geplant. Für Hammer war schnell klar, dass er den Eingriff in die Landschaft nicht hinnehmen würde.
Doch die Gemeindeversammlung überwies die nötige Zonenplanund Baureglements-Änderung Ende 2007. Der Weg für das Muotathaler Tief- und Strassenbauunternehmen Schelbert, das die Deponie betreiben wollte, war geebnet. Der Gemeinderat von Arth hiess das Baugesuch der AG im April 2009 gut.
Erwin Hammer vor der Senke, die mit Deponiematerial aufgefüllt worden wäre.
(Arth, 14. März 2017)
Wald vergessen
Dass ein Wildtier-Korridor durch das Deponiegelände führt und dass auf dem Areal Waldflächen stehen, liessen lokale und kantonale Behörden ausser acht. Dabei ist für das Roden von Wald eine Bewilligung des Bundesamts für Umwelt (Bafu) vorausgesetzt.
Dies nahm Erwin Hammer nicht hin. «Von meinen Eltern habe ich den Gerechtigkeitssinn mitbekommen», sagt der 65-Jährige. Er zeigt auf die bemoosten Steine, schwärmt, wie im Sommer Schafe und Rinder auf den Wiesen weiden, und schweift mit dem Blick zum Lauerzersee. «Es hat sich gelohnt, so lange dafür zu kämpfen», sagt Hammer. Er hat sich an Gemeindeversammlungen gewehrt, Beschwerde gegen die Baubewilligung beim Regierungsrat erhoben, beim Verwaltungsgericht Anzeige wegen Befangenheit der Arther Gemeinderäte erstattet und Unterschriften gegen die Deponie gesammelt.
An Hammers Seite traten schliesslich auch das Bafu und die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) auf. Das Bundesamt beschwerte sich beim Verwaltungsgericht, dass der Wald nicht festgestellt worden war, die ENHK machte geltend, dass ein Naturdenkmal durch eine Deponie gravierend beeinträchtigt würde.
Im Frühling 2012 entschied das Verwaltungsgericht zugunsten Hammers. Aufatmen konnte er aber erst, als die Verwaltungsrichter Ende 2016 – zehn Jahre nach der Orientierung über die Deponie – wieder zum selben Schluss kamen und eine Beschwerde der Schelbert AG abwiesen. Diese sah davon ab, den Entscheid ans Bundesgericht weiterzuziehen.
Die Lokalpresse bleibt stumm. Hammer verkündete deshalb am 8.März per Inserat im «Boten der Urschweiz», dass keine Deponie auf der Bernerhöhe gebaut wird. Im Dorf habe er sich zwar unbeliebt gemacht und gelte als Querulant. Er habe aber auch Unterstützung erfahren. Etwa von der Tochter, dem Sohn und der Ex-Frau oder 2500 Sympathisanten, die 2010 eine Petition gegen die Deponie unterschrieben hätten. Von einem Gönner habe er zudem über die Jahre mehrere Zehntausend Franken erhalten, «um die Schweinereien zu beenden».
Standort bleibt möglich
Die Schelbert AG hat den Standort trotz der Niederlage vor Gericht noch nicht aufgegeben. Die Behörden und die Richter hätten festgehalten, dass es nach wie vor Spielraum für eine Deponie in diesem Gebiet gebe, sagt ein Vertreter der Firma. «Die Schelbert AG befindet sich weiter auf dem Weg zum Ziel.» Das Bewilligungsverfahren auf der Bernerhöhe sei besonders aufwendig, weil neben Kanton und Gemeinde auch nationale Instanzen beteiligt seien.
Der Vertreter der Firma Schelbert kritisiert, dass ein Vorhaben zur umweltgerechten Ablagerung von unverschmutztem Aushubmaterial, die der Öffentlichkeit diene, aus Einzelinteresse langwierig gestört werden könne: «Besonders stossend ist es, wenn Gegner eines Projekts von einem Tag auf den anderen zu Umweltaktivisten werden, aber nur ihre persönlichen Anliegen als Eigentümer und Anwohner verfolgen.»
Dass ihm Eigennutz vorgeworfen werde, treffe ihn nicht, sagt Erwin Hammer. Er sei stolz, die wunderbare Landschaft bewahrt zu haben. «Das war offensichtlich meine Bestimmung.»
Andreas Schmid
NZZ am Sonntag, 2. April 2017